Etablierung einer Parallel-Justiz der Content-Verwerter

Den Bun­des­län­dern gehen die Zu­griffs­mög­lich­kei­ten nicht weit genug - durch einen ge­schick­ten Win­kel­zug (das Ge­setz zur Vor­rats­da­ten­spei­che­rung selbst wird nicht ge­än­dert, in einem zwei­ten Ge­setz wer­den ent­spre­chen­de Re­ge­lun­gen ver­an­kert) sol­len unter an­de­rem die Rech­te­inha­ber zum Zwe­cke zi­vil­recht­li­cher Ver­fol­gung etwa von Ur­he­ber­rechts­ver­let­zun­gen Zu­gang zu den Daten be­kom­men - ohne, daß dies rich­ter­li­cher Kon­trol­le un­ter­lä­ge. Da ist er schon, der viel­be­schwo­re­ne Damm­bruch - und noch frü­her als be­fürch­tet. Noch per­fi­der: Soll­te das Ge­setz kom­men, haben die Con­tent-Ver­wer­ter im Prin­zip alle In­stru­men­te für die le­gi­ti­mier­te Selbst­jus­tiz zu­sam­men.

Gut, sie kön­nen noch nicht Ge­set­ze nach ei­ge­nem Gut­dün­ken er­las­sen - das geht nach wie vor über die (of­fen­sicht­lich sehr er­folg­rei­che) Lob­by­ar­beit in der Po­li­tik. Aber die Er­mitt­lung und Be­stra­fung von so­ge­nann­ten Co­py­right-De­lik­ten ist damit voll­stän­dig in der Hand der Rech­te­ver­wer­ter und ab­seits der Ge­rich­te.

Mit Hilfe der Ab­mah­nun­gen hatte man be­reits ein ge­eig­ne­tes In­stru­ment zur Be­stra­fung in der Hand: Un­ter­las­sungs­er­klä­rung und eine saf­ti­ge Geld­bu­ße sor­gen für die schmerz­haf­te Stra­fe, ein ex­or­bi­tant hoch an­ge­setz­ter Streit­wert dient als Ein­schüch­te­rung davor, das ganze vor einem re­gu­lä­ren Ge­richt zu dis­ku­tie­ren.

Blieb bis­her nur das Pro­blem, zu einer IP-Adres­se den An­schlu­ß­in­ha­ber zu er­mit­teln: Die Aus­künf­te konn­ten nur mit rich­ter­li­cher Ge­neh­mi­gung ein­ge­holt wer­den, und es gab immer wie­der Rich­ter, wel­che die­sen Ein­griff in die Pri­vat­sphä­re auf­grund der Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit ab­lehn­ten. Au­ßer­dem blie­ben die An­fra­gen oft lange lie­gen - die au­to­ma­tisch ge­ne­rier­ten An­fra­gen der Con­tent-In­dus­trie über­flu­te­ten und ver­stopf­ten die Schreib­ti­sche der Rich­ter.

Mit die­sem Ge­setz wäre also alles in einer Hand: Die Con­tent-Ver­wer­ter "er­mit­teln" eine IP, er­hal­ten vom Pro­vi­der die An­schrift des An­schlu­ß­in­ha­bers, und ver­schi­cken eine Ab­mah­nung. Die Er­mitt­lung er­folgt voll­kom­men jen­seits der Kon­trol­le staat­li­cher In­sti­tu­tio­nen, eine Über­prü­fung wäre nur durch ein ech­tes Ge­richts­ver­fah­ren mög­lich - durch aus­rei­chend hohe Streit­wer­te wer­den die Ab­ge­mahn­ten je­doch so ein­ge­schüch­tert, daß es dazu wohl nicht kom­men wird. Vom Miß­brauch sol­cher Aus­kunf­s­mög­lich­kei­ten möch­te ich noch gar nicht reden.

Out­sour­cing, jetzt auch bei der Jus­tiz und Straf­ver­fol­gung. Zum Spei­en.