Link zu Link, der zu Link führt, führt zu Hausdurchsuchung

Rein hy­po­the­tisch: Ich habe einen Kum­pel, der einen Freund hat, des­sen Be­kann­ter eine Bank über­fal­len hat - und ich werde dar­auf­hin ver­haf­tet. Ab­surd? Si­cher­lich, aber näher an der Rea­li­tät, als einem lieb ist: Bei einem Blog­ger gab es eine Haus­durch­su­chung mit Be­schlag­nah­mung des Rech­ners (und sämt­li­cher Pe­ri­phe­rie); er hatte sich in sei­nem Blog an der Dis­kus­si­on um Netz­fil­ter gegen Kin­der­por­no­gra­phie be­tei­ligt und dabei auf ein an­de­res Blog ver­linkt. Die­ses wie­der­um ver­link­te die bei Wi­ki­leaks auf­ge­tauch­te dä­ni­sche Sperr­lis­te (wel­che ja po­ten­ti­ell Links auf Kin­der­por­no­gra­phie ent­hält).

Be­grün­dung der An­walt­schaft für die­ses Vor­ge­hen:

"Da davon aus­zu­ge­hen ist, dass sich der Be­schul­dig­te vor Ver­lin­kung des Ar­ti­kels des­sen In­for­ma­ti­ons­ge­halt zu Eigen ge­macht hat, ist eben­so wahr­schein­lich, dass er sich durch die­sen Vor­gang die In­for­ma­tio­nen der In­ter­net­sei­te und somit auch kin­der­por­no­gra­phi­sches Ma­te­ri­al zu­min­dest im Cache sei­nes Com­pu­ters ge­spei­chert hat"

Sieht man mal von ab­stru­sen Un­ter­stel­lun­gen (jeder, der über die Netz­zen­sur dis­ku­tiert, dul­det oder be­sitzt KiPo) ab: Wie kann sol­ches Ma­te­ri­al "zu­min­dest im Cache" des Brow­sers lan­den?

  • Er ist auf der ver­link­ten Blog-Sei­te dem Link zu Wi­ki­leaks ge­folgt und hat von der Liste tat­säch­lich Adres­sen in sei­nen Brow­ser ko­piert. Auf der Blog-Sei­te wurde tat­säch­lich pro­vo­kant dazu auf­ge­ru­fen (sinn­ge­mäß: Nehmt euch mal 30 oder 40 Links her­aus und schaut sie euch an - ihr wer­det fest­stel­len, daß fak­tisch alle ent­we­der tot sind oder keine KiPo ent­hal­ten)... davon würde ich aber ab­ra­ten, es gibt in­zwi­schen ge­nü­gend Ar­ti­kel, in denen die di­ver­sen Fil­ter­lis­ten sta­tis­tisch aus­ge­wer­tet wur­den.
    Das Er­geb­nis ist üb­ri­gens jedes Mal das glei­che: Über 90% der Sei­ten ent­hal­ten keine KiPo, west­li­che Län­der (zu denen Deutsch­land ein Rechts­hil­fe-Ab­kom­men hat) hos­ten die meis­ten Ser­ver, und häu­fig ist Deutsch­land unter den ers­ten Plät­zen der Ser­ver-Stand­or­te.
  • Er ver­wen­det einen Brow­ser, der Pre­fet­ching be­treibt - also ver­link­te Sei­ten schon im Vor­aus in den Cache läd, ob­wohl der Be­nut­zer den Link noch nicht an­ge­klickt hat. Da ich aber nicht an­neh­me, daß die Liste bei Wi­ki­leaks "heiße Links" ent­hielt (das dürf­te viel­mehr ein PDF sein, mög­li­cher­wei­se sogar ein ein­ge­scann­tes Text­do­ku­ment), ist die­ser Fall wohl sehr un­wahr­schein­lich.
  • Edit: Wie die­ser Ar­ti­kel aus der Netz­sper­ren-De­bat­te hin­weist, kann man zum einen durch Link­ver­kür­zer wie Ti­nyURL "in die Falle tap­pen"; zum an­de­ren gibt es Brow­ser-Plug­ins, wel­che sol­chen ver­kürz­ten Links wie­der au­to­ma­ti­siert zu ihrem Ur­sprungs­link auf­lö­sen - und man­che von ihnen tun das, indem sie die URL au­to­ma­ti­siert auf­ru­fen.

Zu­sam­men­fas­send stel­le ich fest: Wenn der Mensch nicht un­glaub­lich neu­gie­rig (oder un­glaub­lich dumm) war, fin­det man auf dem Rech­ner rein gar nichts. Von einem "an­ge­mes­se­nen Ver­hält­nis zur Schwe­re der Tat und zur Stär­ke des Tat­ver­dachts", wie die Staats­an­walt­schaft schreibt, kann also in keins­ter Weise die Rede sein. Im Law­blog heißt es sehr tref­fend:

"Mal wie­der ein Bei­spiel dafür, dass man sich als Er­mitt­lungs­rich­ter auch ohne tat­säch­li­che An­halts­punk­te - wie vom Ge­setz ge­for­dert - einen An­fangs­ver­dacht bas­teln kann. Haupt­sa­che, man ver­fügt über eine blü­hen­de Fan­ta­sie und aus­rei­chen­de Be­triebs­blind­heit für die Grund­rech­te der Be­trof­fe­nen."

Und wie ich eben bei Netz­po­li­tik lesen muß, wird nun auch gegen den zwei­ten (ver­link­ten) Blog­ger er­mit­telt - dies­mal sogar wegen des Ver­dachts auf Ver­brei­tung von KiPo... man könn­te den Ein­druck ge­win­nen, daß es gar nicht um die Sache an sich geht, son­dern eher um or­dent­lich lau­tes Sä­bel­ras­seln, um die Dis­kus­si­on über die Netz­fil­ter ein­zu­däm­men.