Verchippte Schulkinder

An einer Schu­le im US-Bun­des­staat Rhode Is­land läuft ein kon­tro­ver­ser Pi­lot­ver­such: Grund­schü­ler tra­gen in ihren Schul­ran­zen einen RFID-Chip, mit des­sen Hilfe ihr Auf­ent­halts­ort be­stimmt und von den El­tern ab­ge­ru­fen wer­den kann. In dem Pi­lot­pro­jekt wird die­ser Chip aus­schlie­ß­lich an den Türen des Schul­bus­ses ab­ge­fragt, so daß die El­tern fest­stel­len kön­nen, ob ihr Kind noch im Schul­bus sitzt oder wann und wo es die­sen ver­las­sen bzw. be­tre­ten hat.

Be­für­wor­ter (wie auch die ver­link­te Pro-RFID-Sei­te) sehen hier­in einen Si­cher­heits­ge­winn: An­geb­lich gibt es pro Jahr 5000 Fälle, bei denen ein Kind ver­gi­ßt, den Bus recht­zei­tig zu ver­las­sen und so zu­rück zur Schu­le (oder schlim­mer: sonst­wo­hin) fährt. Mit Hilfe die­ses Sys­tems soll El­tern die Un­ge­wi­ßheit er­spart blei­ben, ob ihr Kind ver­se­hent­lich noch im Bus sitzt oder ob sie mit einer Ent­füh­rung rech­nen müs­sen. Nach Aus­sa­gen der Be­für­wor­te­rin in dem ver­link­ten In­ter­view han­delt es sich um re­gu­lä­re, pri­mi­ti­ve RFID-Chips ohne Zu­griffs­schutz, wel­che le­dig­lich eine ein­deu­ti­ge ID zu­rück­lie­fern; die As­so­zia­ti­on zwi­schen ID und Daten wie Name und Adres­se sind nur dem Schul­com­pu­ter und den El­tern be­kannt.

Ich sehe hier meh­re­re Pro­ble­me: Ent­ge­gen den Aus­sa­gen ist ein "Stal­king", also ein ge­ziel­tes Auf­lau­ern eines Op­fers sehr wohl mög­lich - ist das Opfer ein­mal vom Täter aus­ge­wählt, kann er es mit­tels der ein­deu­ti­gen ID je­der­zeit wie­der­er­ken­nen. Al­ler­dings bin ich der Mei­nung, daß dies das ge­rings­te Pro­blem sein dürf­te - die Ab­fra­ge für die El­tern ist (hof­fent­lich!) durch ein Paß­wort ge­schützt, so daß sich eine Ent­füh­rung nicht "auf die Ent­fer­nung" pla­nen läßt. Vor Ort ist die Reich­wei­te der RFID-Le­se­ge­rä­te so be­grenzt, daß ein Täter sein Opfer ge­nau­so­gut kon­ven­tio­nell ver­fol­gen kann.

Ein An­griffs­vek­tor dürf­te die An­nah­me sein, daß sich der RFID-Chip immer beim Kind be­fin­det: Ge­lingt es dem Täter, den Ruck­sack im Bus zu las­sen, wiegt er die El­tern in der fal­schen An­nah­me, daß das Kind noch un­ter­wegs sei. Al­ter­na­tiv kann ein Täter ein zwei­tes RFID-Tag mit iden­ti­scher ID an­fer­ti­gen und dies beim Aus­stieg wie­der in den Bus be­för­dern - die Daten sähen dann so aus, als ob das Kind den Bus ver­lass­sen woll­te und es sich spon­tan an­ders über­egt hätte.

Die gra­vie­rens­te Folge dürf­te mit­tel­fris­tig zu be­ob­ach­ten sein: So­bald alle Kin­der einen RFID-Chip in ihrem Ruck­sack tra­gen, wird man rasch auf die Idee kom­men, die Daten auch für an­de­re Zwe­cke zu nut­zen: RFID-Re­a­der sind bil­lig, so daß sich bei­spiels­wei­se an jedem Klas­sen­zim­mer sowie an den Aus­gän­gen der Schu­le Le­se­ge­rä­te an­brin­gen lie­ßen. So könn­te über­wacht wer­den, ob ein Kind tat­säch­lich im rich­ti­gen Klas­sen­zim­mer sitzt, ob es die Schu­le schwänzt oder ob es wi­der­recht­lich das Schul­ge­län­de ver­las­sen hat. In einem ähn­li­chen Pi­lot­pro­jekt in Eng­land hat man das von vorn­her­ein ganz un­ver­hoh­len so ge­plant.

Was mich ernst­haft är­gert sind die Ar­gu­men­te, die im ver­link­ten Ar­ti­kel be­nutzt wer­den: Alles nur zur Si­cher­heit, nur für die­sen einen Zweck, und es ist ja "nur" eine ID (mit der kann ja nie­mand sonst was an­fan­gen) - so­bald man an­fängt, Daten zu sam­meln, las­sen sich diese unter die­ser ein­deu­ti­gen ID zu­sam­men­füh­ren. Und das kann (wie oben skiz­ziert) die Schu­le ma­chen - ge­nau­so wie der Su­per­markt neben der Schu­le, oder eben sonst­wer.

In Ana­lo­gie zu dem Ar­ti­kel über Eng­land: In dem Fern­seh­be­richt geht es auch um die recht­li­che Seite die­ses Pro­jekts; Fazit: Auch Kin­der haben ein Recht auf Pri­vat­sphä­re, aber die­ses Recht endet, wenn die El­tern es so wün­schen: While child­ren have pri­va­cy rights, pri­va­cy from their par­ents re­al­ly is not one of them..