Seltsame Definition von “Privacy” in England

An einer Schu­le in Eng­land sol­len nun RFID-Chips in die Schul­uni­for­men ein­ge­näht wer­den, um so die Ab­we­sen­heit von Kin­dern vom Un­ter­richt fest­zu­stel­len. El­tern wer­den dann via SMS über das Feh­len be­nach­rich­tigt und sind ver­pflich­tet, um­ge­hend den Grund der Ab­we­sen­heit mit­zu­tei­len. Auf Kri­tik hin, das Sys­tem würde die Pri­vat­sphä­re der Schü­ler ver­let­zen, stell­te der Di­rek­tor klar, daß es sich nur um ein Mi­ß­ver­ständ­nis han­de­le: Es han­de­le sich dabei kei­nes­wegs um ein Big-Bro­ther-Sys­tem.

Er er­läu­tert, daß durch das Sys­tem nie­mand be­ob­ach­tet oder ver­folgt würde. Die Chips seien oh­ne­hin nur auf 2m aus­les­bar, und ein Aus­bau der Le­se­ge­rä­te auf die ganze Schu­le (oder wei­te­re Be­rei­che) sei nicht ge­plant. Kei­ner­lei Ein­griff in die Pri­vat­sphä­re? Beati pau­pe­res spi­ri­tu...
Ich hatte beim Schrei­ben mei­ner Dis­ser­ta­ti­on auch Schwie­rig­kei­ten, eine prä­zi­se De­fi­ni­ti­on von "Pri­va­cy" zu fin­den (die De­fi­ni­tio­nen von Prof. Pfitz­mann sind üb­ri­gens sehr brauch­bar), und Eng­land hat oh­ne­hin ein eher li­be­ra­les Ver­hält­nis ge­gen­über po­ten­ti­el­len Über­wa­chungs­tech­no­lo­gi­en - aber obige Be­haup­tung ist ent­we­der un­glaub­lich dumm oder un­glaub­lich un­ver­schämt. "Nicht ge­plant" be­deu­tet "tech­nisch mög­lich", und so­bald In­ter­es­se an den Daten be­steht, wird der Aus­bau kom­men. Die RFID-Chips be­sit­zen üb­li­cher­wei­se kei­nen Zu­griffs­schutz, wes­halb die dar­auf ge­spei­cher­ten Daten von jedem ge­le­sen wer­den kön­nen - auch au­ßer­halb der Schu­le. Umso bri­san­ter, daß auf dem Chip wohl Daten ge­spei­chert sind, die sich sonst nur "in den Schul­com­pu­tern" ge­spei­chert wer­den. Und selbst wenn der Le­se­zu­griff ge­schüzt ist, be­inhal­ten die RFID-Chips eine ein­deu­ti­ge Adres­se (das Pen­dant zur MAC-Adres­se), womit das Er­stel­len von Be­we­gungs­pro­fi­len pro­blem­los mög­lich ist. Die As­so­zia­ti­on die­ser abs­trak­ten Adres­se zu Fak­ten wie Name, etc. ist für den Be­ob­ach­ter dann nur eine Frage der Zeit.
Im­mer­hin fin­det sich auch in Eng­land in­zwi­schen Wi­der­stand gegen sol­che Vor­ha­ben: Die In­itia­ti­ve Leave Them Kids Alone (gru­se­li­ge Seite - so­wohl von der Optik als auch vom In­halt her) wehrt sich gegen sol­che Tech­no­lo­gi­en sowie gegen das Er­fas­sen von Fin­ger­ab­drü­cken von Schul­kin­dern ohne Ein­wil­li­gung der El­tern.