Chronologie eines Telefonspams

"Die Nummer Ihres Telefonanschlusses wurde heute ausgelost, und sie sind der Gewinner eines neuen BMW-Coupes!" - leider dürfte wohl inzwischen jeder Anrufe mit solchen Bandansagen kennen. Cold calls sind untersagt, die in der Ansage genannte 0900-Nummer wurde verschleiert angesagt ("Null-neun... null-null-fünf..."), und auch die gesetzlich geforderte Ansage der Kosten für den Anruf fehlten. Die Bundesnetzagentur kontrolliert die Sonderrufnummern, und kann sie bei Mißbrauch auch sperren; hierfür gibt es auf deren Webseite verschiedene Kontaktmöglichkeiten. Wie eine solche Meldung abläuft, habe ich inzwischen einmal durchexerziert.

Die Meldung

Der Spammer hatte mir den Gefallen getan, das komplette Band auf meinem Anrufbeantworter abzuladen - so hatte ich alle Informationen, einschließlich der genauen Anrufzeit, gebündelt beisammen. Die Bundesnetzagentur bittet für eine Telefonspam-Meldung, ein PDF-Formular auszufüllen und zuzuschicken - oder eine Mail mit den Informationen zu schicken. Offenbar geht die Behörde noch nicht ausreichend in individuellen Mails unter, sonst hätte man sicher hierfür schon längst ein Webformular eingerichtet...

...also PDF-Formular geholt, Infos in eine Mail geschrieben, Bandansage als mp3 angehängt und ab damit. Das war am 1.12. letzten Jahres.

Eingangsbestätigung!

Am 29.12.09 kam tatsächlich Mail (also E-Mail, keine Briefpost ;-) von der Bundesnetzagentur: Eine Eingangsbestätigung mit einem Aktenzeichen. Na, bei dieser Antwortzeit haben die Spammer ziemlich lange freie Hand.

Abschluß des Verfahrens

Am 10.3.10 kam nochmals Mail:

Ihre Beschwerde wurde umfassend geprüft. Aufgrund von Verstößen gegen das Telekommunikationsgesetzes (TKG) sowie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) haben wir mit Bescheid vom 10.12.2009 die Abschaltung der Rufnummer (0)9005 xxxx gegenüber dem Netzbetreiber zum 14.12.2009 angeordnet. Gleichzeitig haben wir für die Zeit ab dem 20.11.2009 ein Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot ausgesprochen.

Zwar über ein viertel Jahr nach dem Vorfall - aber immerhin, und passend rückdatiert. Aber weiterhin liest man in der Mail:

Die Maßnahmen der Bundesnetzagentur greifen jedoch nicht unmittelbar, wenn der Verbraucher die in Rechnung gestellten Verbindungsentgelte bereits bezahlt hat. In diesen Fällen sollte er dennoch versuchen, das Geld bei seinem Netzbetreiber zurückzufordern. Die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes ermöglichen es der Bundesnetzagentur hierbei nicht, Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche zu unterstützen.

Ok, wer bereits bezaht hat (was automatisch mit der Telefonrechnung geschieht), muß das Geld aus eingener Initiative heraus zurückfordern. Aber wie ist der letzte Satz zu verstehen? Gibt es aufgrund des Inkassoverbots keinen Rechtsanspruch auf Rückzahlung?

Ein Blick hinter die Kulissen

Der Brief enthielt auch Name und Adresse des Bereibers der Sonderrufnummer: Ein Verein, der angeblich Auskunft über Krankenkassen gibt, ansässig in der Schweiz. Sucht man nach der Adresse, findet man rasch den Eintrag im Schweizer Gewerberegister... und entdeckt, daß der Betreiber insgesamt 35 Auskunftsvereine betreibt - alle an der selben Adresse.

Wenn man im Netz googlet, findet man noch Verknüpfungen zu einer britischen Firma, welche wohl in letzter Instanz (zumindest in einigen Fällen) die Sonderrufnummern angemietet hatte. Daß die Schweizer Adressen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Briefkastenfirmen sind, muß ich wohl kaum extra erwähnen.

Alles in allem ist das Ergebnis doch moderat frustrierend: Die Sonderrufnummern wurden gesperrt - erst zwei Wochen nach meiner Anzeige. Die Informationen zu mir waren noch bedeutend länger unterwegs. In dieser Zeit hat der Spammer sein Geschäft gemacht, und wenn diese Sonderrufnummern dichtgemacht wurden, hat er ja 34 weitere Briefkastenfirmen... die Anschlüsse, von denen die dervigen Anrufe ausgingen, werden mit keiner Silbe erwähnt. Vermutlich laufen die Wahl-Computer dort noch immer - jetzt eben mit neuer Bandansage. Der gutgläubige Dumme, der tatsächlich bei der Nummer anruft, ist weiterhin der Gelackmeierte: Die Bundesnetzagentur stellt nämlich nur (rückwirkend) fest, daß die Rechnungsstellung wegen illegaler Nutzung der Sonderrufnummer nicht rechtens war; man muß sich trotzdem selbst darum bemühen, das Geld bei seinem Telefonprovider wieder einzufordern (der dann wiederum das Geld vom Spammer zurückfordern könnte, was aber Dank der ausreichend verschleiernden Verflechtung mit Briefkastenfirmen im Ausland wohl ein Ding der Unmöglichkeit sein dürfte) - ich will mir gar nicht ausmalen, was das für ein Drama ist.

Alles in allem habe ich den Eindruck, daß die aktuelle Regelung ein zahnloser Tiger ist. Die Bedrohung für die Spammer ist gering, die Finanzwege gesichert (die Telefonprovider werden ja unfreiwillig als Inkassounternehmen benutzt) - und sobald eine Nummer gesperrt wird, wird eben eine neue eröffnet. Ohne eine automatische Rückzahlung sämtlicher Rechnungsstellungen (verbunden mit einer um z.B. 3 Monate verzögerten Auszahlung an den Sonderrufnummernbetreiber durch die Telefonprovider) ist das Verfahren ein besserer Witz.