“Meine Daten und ich” - Filmrezension

MeineDatenUndIch-Brief-klein.jpgEigentlich hatte (kurz nach der Entdeckung) bereits ein Bekannter mit mir vereinbart, den Film "Meine Daten und ich" zu bestellen und nach dem ersten Sichten an mich weiterzugeben. Um so erstaunter war ich, ein Päckchen von GMfilms in meinem Briefkasten zu finden. Der Inhalt: Die DVD, zusammen mit einem netten Brief - damit ich nicht darauf angewiesen wäre (wie im vorigen Artikel geschrieben) auf die Meinung eines anderen warten zu müssen. Der Bitte, meine Meinung zum Film zu äußern, komme ich hiermit gerne nach - ich hatte es ja ohnehin vor :-)

Man könnte den Film als "Meta-Dokumentation" bezeichnen: Die Rahmenhandlung ist eine "Making-Of-Dokumentation" über die Dreharbeiten zum Film selbst; er handelt vom (fiktiven) Filmemacher Axel Ranisch (gespielt vom realen Axel Ranisch), der eine Dokumentation über den Datenschutz und die Datenskandale des Jahres 2008 drehen möchte. Nach der Absage eines privaten Fernsehsenders entschließt er sich, den Film als No-Budget-Produktion auf eigene Faust zu drehen. Zusammen mit dem Kameramann Hardy und seiner Freundin Eva macht er sich schließlich an die Arbeit, verschiedene Persönlichkeiten aus Politik, Forschung und den Kreisen der Netzaktivisten zu den verschiedenen Themen zu interviewen.

Die Stärken des Films sind meiner Meinung nach ganz klar die geführten Interviews: Die Liste der Interview-Partner liest sich wie ein who-is-who der Befürworter, Kritiker und Gegner der einzelnen Themen (abgesehen von Herrn Schäuble, der die Interviewanfragen ablehnte; sein Ministerium fühlte sich ja ab einem Punkt plötzlich für viele vorher vertretenen Forderungen zur Vorratsdatenspeicherung nicht mehr zuständig - und wird dafür in einer Cartoon-Szene mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus bedacht). In den Interviews sieht (und hört) man stets nur den Interviewpartner; die Gespräche mit den einzelnen Personen sind geschickt so zusammengeschnitten, daß der Eindruck entsteht, die einzelnen Personen würden auf die Aussage ihres Vorredners antworten oder dieser widersprechen. Da die Aussagen der einzelnen Personen selten länger als eine Minute am Stück sind, bleiben diese Quasi-Dialoge spannend. Trotzdem gelang es den Filmemachern, die Kernaussagen aus den Interviews geschickt herauszudestillieren.

Sind die angesprochenen Themen bei den Interviews klar (Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, Mitarbeiterüberwachung bei Lidl, Gefahr von Datenhalden am Beispiel des Telekom-Skandals), ist die Kernaussage bei den Szenen, in denen Axel Ranisch selbst betroffen ist, weniger klar: Das Thema Scoring (und wieso er plötzlich von seiner Bank für nicht kreditwürdig eingestuft wird) funktioniert in dieser Darstellung noch gut; bei der Beantragung von ALG2 vermischen sich verschiedene Aspekte (der aufgezwungene Privatsphären-Exhibitionismus durch die Harz-IV-Regelungen; die Gefahr, die durch das Sammeln von Daten aus sozialen Netzwerken entsteht; das Persönlichkeitsprofil, das durch die Einsichtnahme in die Kontobewegungen entsteht), und bei der Szene am Anfang des Films, in der erzählt wird, daß ein Streit zwischen Axel und Hardy mit einem Handy gefilmt und bei YouTube eingestellt wurde, ist vermutlich allenfalls bereits sensibilisierten Leuten klar, was mit dieser Szene angeprangert werden soll.

Der Anfang des Films ist auch der Part, der beim ersten Ansehen den schwächsten Eindruck hinterließ. Gut 20 Minuten dauert es, bis die Rahmenhandlung aufgebaut ist - und diese ist für den Rest des Films mehr oder minder belanglos, denn der verbleibende Film besteht fast ausschließlich aus den Interviewausschnitten, welche (mit Ausnahme des Kredit- und des ALG2-Antrags) auch keinen direkten Bezug zu den Hauptpersonen haben. Letzteres tut der Reportage zwar keinen Abbruch, aber im Vergleich dazu fehlte mir der Bezug zum Anfang des Films.

Natürlich muß sich der Film vergleiche mit anderen Reportagen aus den letzten Monaten gefallen lassen; allen voran ist mir die Sendung "Wer hat meine Daten" aus dem Jahr 2006 in Erinnerung geblieben. Auch hier bildete die Recherche rund um das Thema Datenschutz (Ausgangsfragestellung war, wieso jemand genau diese Werbung zugesandt bekommt) die Rahmenhandlung. Die (sehr sehenswerte) Reportage ist im 45-Minuten-Format erstellt und mußte dementsprechend an vielen Stellen straffen - sie rüttelt in Bezug auf die Probleme wach, bleibt jedoch Details schuldig.

Die (in diesem Jahr ausgestrahlte) Reportage "Der gläserne Deutsche - wie wir Bürger ausgespäht werden" greift ebenso wie "Meine Daten und ich" die verschiedenen Datenschutz-Skandale bei Bahn, Telekom und Lidl auf. In 45 Minuten geht es um den Datenmißbrauch, das Tauziehen um das neue Datenschutzgesetz (in dem ursprünglich das Listenprivileg, das Datenhändlern erst das Sammeln von Daten ermöglicht, gekippt werden), aber auch um Mitarbeiterüberwachung mit Kameras oder sogar Autowanzen. Die ebenfalls 45 Minuten lange Reportage schafft es, zu Beginn des Films mit der "Pizzabestellung von morgen", einem Ausblick in eine nahe Zukunft, viele Probleme anzureißen und den Zuschauer zu fesseln. Die einzelnen Themen werden plakativer (oder negativ formuliert: Bildzeitungs-artiger) angeprangert.

Insbesondere im Vergleich zur zweiten Reportage ist der Film bedeutend ruhiger. Wer auf Provokation, flotte Sprüche und Kalauer wie in den (Pseudo-)Reportagen Michael Moores hofft, der wartet vergeblich. Die ausführlichen Interview-Zusammenschnitte strahlen Sachlichkeit aus, machen aber trotzdem eine scharfe Kritik deutlich. Gegenüber den beiden Fernsehreportagen beschäftigt sich "Meine Daten und ich" mit mehr politischen Themen und den Folgen der aktuellen Sicherheits-Gesetzgebung.

An welche Zielgruppe richtet sich der Film? Leute, die bereits mit der Materie vertraut und für das Thema sensibilisiert sind, erfahren freilich nicht viel Neues. Für sie ist das Interview-Kondensat (und wohl auch die alternative Tonspur mit einem Audiokommentar von Netzaktivist Padeluun) interessant. "Neulingen", die sich für die Materie interessieren, kann ich nur raten, sich von der spielfilmartigen Einleitung nicht (ent)täuschen zu lassen - im Zweifelsfall einfach zu den Interviews vorspringen. In anderen Berichten hört man die Argumente immer aus dem Munde einiger weniger Experten, oder nur als Sprecherton vom Reporter aus dem Off. In diesem Film kann man sowohl Pro- als auch Contra-Argumente direkt aus dem Munde der Verantwortlichen hören. Das macht den Film nicht zu einer Konkurrenz, sondern zu einer Ergänzung zu anderen, kürzeren Reportagen.

Um Otto-Normalbürger mit der "ich habe doch nichts zu verbergen"- und "gegen den Terror muß man doch was tun"-Mentalität zu sensibilisieren oder zu überzeugen taugt der Film leider nicht - Michael Moore polemisiert und polarisiert zwar heftig, hat dafür aber auch einen erheblichen Unterhaltungswert. Das fehlt dem Film leider.

Der Film kann bei GMfilms für 10 Euro erworben werden.

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