Online-Petition gegen Netzfilter

Auf dem ePe­ti­ti­ons-Sys­tem des Deut­schen Bun­des­ta­ges wurde eine "An­ti-Zen­sur­su­la"-Pe­ti­ti­on "In­ter­net - Keine In­di­zie­rung und Sper­rung von In­ter­net­sei­ten" ein­ge­rich­tet. Wird die Pe­ti­ti­on in­ner­halb bis zum 13.5. von mehr als 50.000 Bür­gern ge­zeich­net, fin­det hier­zu eine An­hö­rung im Pe­ti­ti­ons­aus­schluß statt; das ist viel­leicht noch­mals eine Mög­lich­keit, etwas zu be­we­gen. Also: Auf auf, zeich­nen gehen! Und: Wei­ter­sa­gen, der 13.5. ist nicht allzu fern!

Wer sich mit den Ar­gu­men­ten gegen eine sol­che Sper­rung ver­traut ma­chen will, hier noch ein­mal in Kürze:

  • Ar­gu­men­ta­ti­on auf Basis fal­scher Fak­ten: Frau von der Leyen ar­gu­men­tiert, sol­che Fil­ter seien not­wen­dig, um die Ver­brei­tung von Kin­der­por­no­gra­phie zu un­ter­bin­den; diese habe al­lein 2007 um über 110% zu­ge­nom­men. Ein Blick in die Po­li­zei­sta­tis­tik zeigt, daß da wohl ir­gend­et­was schief ge­lau­fen sein muß: Diese weist näm­lich für das Jahr 2006 2.897, für 2007 2.872 Vor­fäl­le aus. Die haar­sträu­ben­de Ar­gu­men­ta­ti­on ist wohl an Po­pu­lis­mus kaum zu über­bie­ten - so die Mei­nung vie­ler Po­li­ti­ker und Ex­per­ten.
  • Un­de­mo­kra­tisch, ge­ra­de­zu kaf­ka­esk: So­wohl der Ge­set­zes­ent­wurf als auch die Pro­vi­der-Ver­trä­ge sehen eine Sper­rung an­hand einer Liste vor, die vom BKA er­stellt und ver­teilt wird. Die Pro­vi­der sind ver­pflich­tet, diese Sper­ren aus­nahms­los um­zu­set­zen. Es gibt aber kei­ner­lei ge­setz­li­che Re­ge­lun­gen, nach wel­chen Kri­te­ri­en diese Liste er­stellt wird. Eben­so­we­nig wer­den die In­ha­ber der ge­sperr­ten Sei­ten über die Sper­rung in­for­miert. Auch feh­len Re­ge­lun­gen zur er­neu­ten Kon­trol­le des In­halts (der In­halt von Web­sei­ten än­dert sich, Do­mä­nen wech­seln den Be­sit­zer) oder ir­gend­ei­ne Form der Wi­der­spruchs­mög­lich­keit im Falle einer fälsch­li­chen Sperrung.​Das Ge­fühl für je­man­den, der irr­tüm­lich ge­sperrt wurde, kann man wohl nur mit kaf­ka­esk um­schrei­ben.
  • Miß­brauch: Durch die man­geln­de de­mo­kra­ti­sche Kon­trol­le ist dem Miß­brauch einer sol­chen Sperr­mög­lich­keit Tür und Tor ge­öff­net. Die fin­ni­sche Sperr­lis­te (eben­falls zur Ein­däm­mung des Ki­Po-Han­dels ein­ge­rich­tet) blo­ckier­te di­ver­se voll­kom­men harm­lo­se Sei­ten sowie ein Blog, das sich kri­tisch mit den fin­ni­schen Netz­sper­ren aus­ein­an­der­setz­te.
  • Be­gehr­lich­kei­ten: Ist eine sol­che In­fra­struk­tur ein­mal vor­han­den, wer­den schnell Be­gehr­lich­kei­ten wach, wofür man die Tech­nik sonst noch ein­set­zen könn­te. So wie die Toll­Collect Maut­da­ten plötz­lich auch zur Fahn­dung ge­nutzt wer­den soll­ten, dau­er­te es in der Bun­des­tags­an­hö­rung keine 12 Mi­nu­ten, bis das Ein­satz­ge­biet "Ur­he­ber­recht" zur Spra­che kam.
  • Zu­griffs-Pro­to­kol­lie­rung: Wer auf eine ge­sperr­te Seite zu­grei­fen will, be­kommt eine Seite mit einem Stop­schild zu sehen. Der Ge­setz­ent­wurf in sei­ner ur­sprüng­li­chen Fas­sung ver­si­chert zwar, daß die Zu­grif­fe hier­auf vom BKA nicht pro­to­kol­liert wür­den; eine Auf­zeich­nung (und mög­li­che Ver­fol­gung) ist aber durch die Hin­ter­tür im­ple­men­tiert - die In­ter­net­pro­vi­der dür­fen dies, und wer­den ver­mut­lich nach kür­zes­ter Zeit auch dazu ge­nö­tigt. In­zwi­schen wird die Op­ti­on der di­rek­ten Pro­to­kol­lie­rung auch offen dis­ku­tiert - ein sol­cher Zu­griff stel­le den nö­ti­gen An­fangs­ver­dacht für eine Er­mitt­lung dar.​Gefähr­lich wird das ab dem Au­gen­blick, wo je­mand un­ab­sicht­lich (oder sogar un­wis­sent­lich) sol­che Sei­ten auf­ruft. So ist es bei­spiels­wei­se denk­bar, die Sei­ten aus einer an­de­ren Web­sei­te her­aus per Ja­va­Script auf­zu­ru­fen oder ka­schiert durch Diens­te wie Ti­nyURL Auf­ru­fe zu pro­vo­zie­ren; eine sehr üble Mög­lich­keit, an­de­re Leute an­zu­schwär­zen, die plötz­lich in Er­klä­rungs­not ge­ra­ten, die Sei­ten doch gar nicht auf­ge­ru­fen zu haben: Ihre IP wurde ge­loggt, die Sei­ten be­fin­den sich im Brow­ser Cache und in der His­to­ry, etc.
  • Scha­den durch ge­le­ak­te Lis­ten: Fak­tisch jede Zens­ur­lis­te ist in den letz­ten Mo­na­ten ge­le­akt - die Lis­ten sämt­li­cher skan­di­na­vi­scher Län­der (z.B. Finn­land, Schwe­den), die aus­tra­li­sche Liste und sogar eine äl­te­re chi­ne­si­sche Sperr­lis­te sind im Netz ver­füg­bar. Dies be­legt, daß eine sol­che Liste fak­tisch nicht ge­heim­zu­hal­ten ist. Für Leute mit ent­spre­chen­den Nei­gun­gen ist eine sol­che Liste wie ein Aus­zug aus den Gel­ben Sei­ten... (ab­ge­se­hen davon schei­nen alle Lis­ten eines ge­mein­sam zu haben: Nur der kleins­te An­teil der blo­ckier­ten Sei­ten ent­hält tat­säch­lich Kin­der­por­no­gra­phie - siehe Miß­brauchs­mög­lich­kei­ten)
  • Aus­nah­men­re­ge­lun­gen: Wohl auch, um die Sperr­lis­ten etwas bes­ser zu schüt­zen, gibt es eine Reihe von Aus­nah­me­re­ge­lun­gen, wer nicht zur Um­set­zung ver­pflich­tet ist. Unter an­de­rem sind das Be­hör­den, Uni­ver­si­tä­ten sowie Pro­vi­der mit we­ni­ger als 10.000 Nutzern.​Die Ef­fek­ti­vi­tät der Maß­nah­me dürf­te damit end­gül­tig gegen null gehen.
  • Leicht aus­zu­he­beln­de Maß­nah­me: Ent­we­der wird man Kunde bei einem Pro­vi­der, der unter die obige Aus­nah­me­re­ge­lung fällt - oder man ver­wen­det einen un­zen­sier­ten DNS-Ser­ver, ein "Trick", der keine spe­zi­el­le Fach­kennt­nis er­for­dert.
  • Kos­me­tik statt Vor­ge­hen gegen die Quel­le: Ak­ti­vis­ten haben die ge­le­ak­ten Sperr­lis­ten ana­ly­siert und nach­ge­se­hen, in wel­chen Län­dern die Ser­ver ste­hen. Das Er­staun­li­che: Der Lö­wen­an­teil be­fin­det sich in den USA, in Aus­tra­li­en und in Deutsch­land. Sie sind also für die Be­hör­den ent­we­der di­rekt zu­greif­bar, oder sie be­fin­den sich in Län­dern, mit denen es her­vor­ra­gen­de Rechts­hil­fe­ab­kom­men gibt.​Wieso geht man dann das Pro­blem nicht bei der Wur­zel an? Würde man die Ser­ver be­schlag­nah­men, könn­te man ver­mut­lich we­sent­lich mehr In­for­ma­tio­nen über die Hin­ter­män­ner ge­win­nen als über die ge­plan­ten Netz­sper­ren.

Wer noch wei­te­re Ar­gu­men­te be­nö­tigt: Es gibt im Netz sehr viele Auf­sät­ze zu dem Thema, ins­be­son­de­re bei Netzpolitik.​org fin­det man viele Texte (bei­spiels­wei­se die 13 Lügen der Zen­sur­su­la). Eine wei­te­re Zu­sam­men­fas­sung, ein­schlie­ß­lich Links zu Pro- und Con­tra-Auf­sät­zen, gibt es beim Da­ten­schut­be­auf­trag­ter-On­line.