Die diesjährige RSA-Conference ist vorbei, und in den diversen Blogs tauchen Artikel über die diversen Vorträge auf. Im Blog von Matt Flynn fand ich einen kurzen Passus über die Panel-Diskussion Risk resilience: The road to Web 3.0; hier hatte sich Bruce Schneier zum Thema Privacy geäußert, und Matt fasst Schneiers Aussage folgendermaßen zusammen:
Schneier explained that young people are growing up with their lives exposed on YouTube, MySpace and Facebook. They're in constant communication via SMS and Twitter. They won't be wounded by privacy breaches the way "old people" are afraid. He reminded us what the old people said about Rock n Roll. It will lead to drugs, sex, wildness and the end of marriage. And yeah, they pretty much got it right. But we survived and went on. He believes that our privacy issues will not be privacy issues for the next generation. He summed it up by saying that in every generation gap, the younger generation wins because the older generation dies.
Üblicherweise haben die Aussagen Schneiers Hand und Fuß und sind sachlich fundiert (weshalb ich ihn sehr schätze), allerdings teile ich diesen Fatalismus von ihm nicht gänzlich: Das Problem ist meiner Meinung nach nicht ausschließlich ein Generationenproblem.
Der Schwerpunkt dieser Problematik liegt in der Wahrnehmung (übrigens aus diesem Grund irritiert es mich doppelt, einen solche Aussage aush Schneiers Mund zu hören - immerhin beschäftigt er sich momentan hauptsächlich mit dem Unterschied zwischen "realer Sicherheit" und "gefühlter Sicherheit"). Der Verlust von Privatsphäre ist nicht unmittelbar spürbar, er geht schleichend vonstatten. Die Konsequenzen erreichen die Betroffenen erst viel später, und häufig können sie die eigentliche Ursache nicht mehr ausmachen. Desweiteren ist das Konzept der Privatsphäre (insbesondere im Netz) so abstrakt, daß es für viele Leute nicht greifbar ist.
Letzteres kann man an der aktuellen politischen Debatte sehr gut erkennen: Gegen den unrühmlichen "Bundestrojaner" formiert sich nur langsam ein zaghafter Widerstand - das Beobachten "irgendwelcher Daten" auf "irgendwelchen Computern" ist für viele Leuten ein so abstraktes Konzept, daß sie darin kein Problem sehen. Ganz anders sieht es bei dem Vorschlag aus, neben dem "großen Lauschangriff" in Zukunft auch die Wohnräume mit Videokameras überwachen zu wollen: Hier ist die Empörung groß, schnell sind markige Begriffe wie "Big Brother hoch zwei" gefunden. Es wird die "Peep-Show in die Wohn- und Schlafzimmer" für das BKA befürchtet - aber daß für viele, insbesondere junge Leute sich ein großer Teil des Privatlebens am Rechner und via Handy und Internet abspielt, beachtet man kaum.
Zurück zu dem Punkt, daß das "Problem der Privatsphäre im Netz" eines der alten, nicht aber der jungen Generation sei: Augenscheinlich ist dem nicht der Fall - es ist vielmehr ein Problem beider Generationen: Privacy ist für beide ein nicht unmittelbar fühlbares, wahrnehmbares Problem. Es ist ein Thema, mit dem alle umgehen lernen müssen.
Natürlich hat Bruce Schneier in sofern recht, daß ein hemmungsloser Privacy-Exhibitionismus wohl kaum der Untergang der menschlichen Rasse wäre. Allerdings glaube ich nicht, daß sich die Menschen zeitgleich soweit ändern, daß zumindest einige von ihnen nicht versuchen würden, die Daten digital konservierter, frei abrufbarer Lebensgeschichten in irgendeiner Form zu ihrem Vorteil auszunutzen: Über Fallstricke aus der Vergangenheit stolpern StudiVZ'ler von heute genauso wie Waffen-SS-Mitglieder von damals (Günther Grass mag hier nur als Beispiel dienen).
Ich glaube nicht, daß man den Youngsters von heute vorschreiben kann, was sie diesbezüglich tun und lassen sollen - das hat zu Zeiten des Rock 'n Roll auch nicht funktioniert. Aber das Bewußtsein für die (schwer spürbare) Problematik sollte man schaffen - und nicht nur mit einem "the younger generation wins because the older generation dies" resignieren.