Im Magazin Frontal21 war gestern ein Beitrag unter dem Titel Die tausend Augen des Staates zu sehen. Glücklicherweise kann man in der ZDF Mediathek sowohl den Beitrag selbst als auch ein Interview mit Prof. Albrecht ansehen - sehr sehenswert, wie ich finde.
Prof. Albrecht findet harte, aber leider sehr treffende Worte für die von Bundesinnenminister Schäuble geplanten Überwachungsmaßnahmen:
"Die Gesellschaft vergibt das wichtigste, was sie hat, nämlich das Recht. (...) Wir wandeln uns von einer Rechtsgesellschaft in eine Sicherheitsgesellschaft, und das geht über den Apparat der Militarisierung. (...) Der Rechtsstaat ist mittendrin in der Auflösung, weil es eine Herstellung von Sicherheit in dem Maße, wie es der Politik vorschwebt, nicht gibt. Wenn man diese Sicherheit herstellt, hat man die Staatssicherheit, und die haben wir in der DDR abgeschafft; und nun bekommt die Bundesrepublik ein Schlimmeres als das, was abgeschafft wurde."
Er geht sehr hart ins Gericht mit dem krampfhaften Bestreben, eine vermeintliche Sicherheit um jeden Preis herzustellen; das Bundesverfassungsgericht werde regelrecht an die Wand gedrückt, da die Politik den Verfassungsrichtern das Wort im Munde umdrehe, anstatt sich an die Urteile (und deren dahintersteckende Gründe) aus Karlsruhe zu halten. Allein dies käme einem Verfassungsbruch gleich. Er sieht ein krasses Ungleichgewicht zwischen Exekutive und den restlichen Staatsorganen: Die Exekutive werde mit immer weiteren und weitreichenderen Rechten ausgestattet, welche die Gewaltenteilung zu großen Teilen aushöhle.
Der Hauptblock des Beitrags zeigt deutlich, welche Auswirkungen die neuen Sicherheitsgesetze auf unseren Alltag haben werden: Eine Mutter berichtet vom Versuch, für ihren einjährigen Sohn einen Kinderausweis zu bekommen - und stellte dabei fest, daß das Amt auch für Kinder, die noch nicht einmal laufen können, ein "biometrisches Paßbild" verlangt. Offenbar können auch Kleinkinder als potentielle Terroristen nicht mehr ausgeschlossen werden.
Ein weiterer Bericht gibt einen Vorgeschmack darauf, was mit der nun beschlossenen Vorratsdatenspeicherung alles möglich ist: Bei einem Brand in Bad Segeberg 2005 wurden von der Polizei sämtliche Handys ermittelt, die zur ungefähren Tatzeit im Umkreis von 10km vom Tatort aktiv waren. Daraufhin bekamen 700 Personen, vom Teenager bis zum Rentner, Post von der Polizei: Man bitte um Mithilfe bei der Aufklärung eines Verbrechens - und legte einen mehrseitigen Fragebogen bei. Darin enthalten: Die Fragen an einen Tatverdächtigen - Aufenthalt zur Tatzeit, Zeugen, etc.etc. 700 Unschuldige werden plötzlich zu potentiellen Kriminellen. Damals stoppte ein Gericht die Aktion als unverhältnismäßig, mit den Daten der Vorratsdatenspeicherung dürfte die Hürde deutlich niedriger liegen. Der Täter wurde seinerzeit übrigens mit konventioneller Polizeiarbeit gefunden - er hatte wohl kein Handy dabei...