Frontal21: “Intimes im Internet” - eine Aufschlüsselung der Probleme des Beitrags

"Das Internet vergißt nichts" - mit diesem Tenor gab es in der Gestrigen Ausgabe der Sendung Frontal21 einen Beitrag mit dem Titel Intimes im Internet. Im plakativen Stil von Frontal21 wird der Verlust der Privatsphäre im Netz angeprangert - dabei wurden aber zwei völlig unterschiedliche Problematiken vermischt.

Die neue Freizügigkeit: 80% aller Studenten stellen persönliche Angaben ins Internet. In Social Networks (Beispiel im Beitrag natürlich StudiVZ) werden persönliche, teils intime Daten veröffentlicht. Die Nutzer geben sich dem trügerischen Gefühl der Anonymität der Technik hin - entweder aufgrund falscher technischer Annahmen ("das können ja nur meine Freunde lesen") oder etwas gedankenloser (oder naiver) Einstellung ("das liest doch sowieso niemand außer meinen Freunden").
Das klassische Gegenbeispiel sind Bewerbungsgespräche, bei denen sich die Personalverantwortlichen im Vorfeld über ihre Bewerber via Goolge, bei speziellen Personen-Suchmaschinen (wie spock oder yasni) oder gezielt in Social Networks wie StudiVZ informieren. Laut dem Bericht hat jeder vierte Personalberater schon einmal eine Bewerbung aufgrund solcher Internet-Recherchen abgelehnt.
Daten die einmal im Netz sind, sind nur sehr schwer wieder zu entfernen: Die Suchmaschinen halten die Daten in Caches, sie werden in Archiven (wie der Wayback Machine von archive.org) archivert, oder aber die Anbieter von Netzplattformen behalten sich ausdrücklich das Recht der dauerhaften Speicherung vor (StudiVZ hatte unlängst diesen Vorstoß gemacht).

Mobbing durch "Identitätsdiebstahl": Das zweite genannte Beispiel schildert den Fall einer Studentin, die erfuhr, daß jemand unter Angabe ihrer Daten einen StudiVZ-Account eröffnet hatte. Hier wurde eine Mischung aus echten Fotos des Opfers mit obszönen Bildern gemischt. Außerdem wurden in ihrem Namen verletzende und vulgäre Postings verfaßt.
Erst Tage nach einer Beschwerde löscht StudiVZ den gefälschten Account - mit dem Erfolg, daß der Mobber wenig später den Account erneut eröffnet und die Bilder nochmals hochlädt.

Am Ende des Beitrags kommt noch Victor Mayer-Schönberger zu Wort, der seine These, daß Daten im Internet ein Verfallsdatum haben sollten, illustriert. Ich persönlich wäre sehr gespannt auf die technische Durchsetzung der Idee: Daten, die ich einmal in Händen halte, kann ich speichern, wo, wie und wie lange ich will... ein solches Verfallsdatum (so sinnvoll es wäre) wäre allenfalls eine Empfehlung für die Verarbeitung - ähnlich der robots.txt-Angaben für Suchmaschinen.

Der eigentliche Zwiespalt zwischen den beiden oben genannten Problemen erörtert der Beitrag nicht näher. Ist es besser, möglichst sparsam Daten im Netz zu veröffentlichen? Oder ist es besser, die "Flucht nach vorn" anzutreten und so Accounts in populären Social Networks mit den eigenen, korrekten Daten zu belegen - ehe es jemand anderes tut?

Einen Vorwurf müssen sich die Anbieter der diversen Dienste im Netz ebenfalls machen lassen: Auf der einen Seite kann ich nachvollziehen, weshalb manche Diensteanbieter auf der Angabe korrekter Realnamen und -adressen bestehen - sei es als Kontaktmöglichkeit im Falle des Mißbrauchs oder als Basis für Marketingdaten (wenn ein Dienst ansonsten kostenfrei ist, sollte man ihm fairerweise diese Finanzierungsmöglichkeit lassen). Auf der anderen Seite bieten nur wenige Portale und Social Networks eine feingranulare Kontrolle, welche Daten öffentlich angezeigt werden; hier bestünde neben dem Ausblenden von Daten auch die Möglichkeit eines begrenzten Zugriffs auf ausgewählte Kontakte, oder aber die Anzeige von Pseudonymen.
Weitergehende Schutzmechanismen für die Privatsphäre habe ich bis dato in keinem Social Network gesehen - innerhalb des gesamten Portals ist man immer gezwungenermaßen mit derselben Benutzer-ID unterwegs. Dabei wäre es doch so einfach für die Betreiber, den Nutzern die Möglichkeit zu geben, innerhalb verschiedener Foren mit unterschiedlichen Pseudonymen aufzutreten. Diese wären für Gelegenheitsleser nicht auflösbar. Ausgewählten Buddies könnte man dann erlauben, die Pseudonyme (oder einen Teil davon) aufzulösen (das System könnte dann bei diesen Leuten beispielsweise zusätzlich den Realnamen anzeigen). Aber all das lassen Social Networks bis dato vermissen - wer sich hier anmeldet, für den heißt es pauschal "Hosen 'runter".

(via Netzpolitik)