Rant: Die FAZ kommentiert den Bundestrojaner

In der FAZ erschien anläßlich des Prozessbeginns ein Kommentar über den Streit um die Online-Durchsuchung - und zwar in einer haarsträubenden Art und Weise, die ich einer renomierten Zeitung wie der FAZ nicht zugetraut hätte.
Während die "Gefahr aus dem Internet" immer weiter zunehme, würde sich Deutschland mit der Diskussion um die Online-Durchsuchung eine Debatte leisten, die "am Thema vorbei" ginge. Phishing-Vorfälle würden mit zweistelligen Prozentzahlen steigen, und während die Phisher immer häufiger trojanische Pferde zum abgreifen von PINs, TANs und Passwörtern benutzen würden, würde in Deutschland "mit fraglichen Argumenten wird die Angst der Bürger vor einer großflächigen Überwachung geschürt". Im Gegensatz zum Phishing würde der Bundestrojaner nur eine sehr geringe Anzahl an Personen betreffen.

Was bitte hat die Diskussion über die Grundrechte (Recht auf Privatsphäre, Unverletzlichkeit der Wohnung, Kernbereich des Privatlebens, etc.) mit der mangelnden Sicherheit verbreiteter Rechnerkonfigurationen zu tun? Oder ist der Artikel so zu verstehen, daß es ja bereits hunderte verschiedener Trojaner gibt - da sollen sich die Leute wegen einem mehr oder weniger (der obendrein von den "guten" kommt) nicht so anstellen? Hallo, geht's noch?
Der Artikel wettert darüber, daß niemand die zunehmenden Betrügerein im Internet anprangert; aber dafür gibt es bereits Gesetze - die haben aber noch keinen Kriminellen dazu gebracht, mit peinlich-geröteten Backen ihre Machenschaften einzustellen. Und daß diese Betrüger immer wieder Erfolg haben, liegt nicht zuletzt daran, daß unsichere Rechner und sowohl schlecht informierte wie auch gutgläubige Benutzer eine unheilige Allianz bilden. Rein technisch gibt es zum Phishing tatsächlich nichts neues zu sagen, was auch der Grund ist, weshalb es auf der CCC-Webseite diesbezüglich so still ist.

Es gibt tausend Dinge, die wichtiger sind und mehr Leute betreffen - dabei "sollen Online-Durchsuchung nur in wenigen Fällen eingesetzt werden", und auch die rapide wachsende Anzahl an Telefonüberwachungen wird mit der steigenden Zahl an Handys (jeder Bundesbürger hat im Schnitt mehr als eines) kleingeredet. Oh, wie ich diese Kreidefresser und Nachplapperer verabscheue.
Ich habe glücklicherweise weder das dritte Reich noch die Herrschaft der Stasi am eigenen Leibe erlebt, aber dennoch reagiere ich sensibel auf solche Themen. Lieber Stefan Tomik, Sie haben altersmäßig dieselben Voraussetzungen wie ich und könnten dementsprechend ebenso informiert sein; diese Diskussion geht nicht "am Thema vorbei" - ich habe lediglich den Eindruck, daß Sie das Thema nicht erfaßt (oder nicht verstanden) haben.
Und wie solltet ihr, die ihr näher an der Geschichte 'dran seid, eigentlich erst auf die Barrikaden gehen? Oder ist schon wieder alles vergessen und verdrängt?