Rant: 20 Jahre Volkszählung

Vor genau 20 Jahren fand die letzte Volkszählung in Deutschland statt - der 25.5.1987 war der Stichtag für die Datenabgabe. Ursprünglich für 1983 geplant, wurde sie auf 1987 verschoben - aufgrund von Protesten, Klagen und dem daraus resultierenden bahnbrechenden Urteil des Bundesverfassungsgericht, das dabei dem "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" Verfassungsrang gab. Auch bei der tatsächlich durchgeführten Volkszählung 1987 kam es aus Angst vor dem Big-Brother-Staat und dem "gläsernen Bürger" zu Protesten und Boykott, trotz drohendem Bußgeld; Mutige riskierten die Strafe, sparsame Gegner füllten den Fragebogen bewußt falsch aus.
Der Internet-Boom, die schlechter laufende Wirtschaft nach dem "Millennium" und natürlich Nine-Eleven haben die Haltung der Bevölkerung stark verändert. Man schluckt, akzeptiert, oder macht sich schlicht keine Gedanken mehr um diese Problematik. Aus heutiger Sicht sieht der Fragebogen der Volkszählung mehr als harmlos aus.
Es hat eine Prise bitterer Ironie, daß genau zum Jahrestag der Bundestag die Änderung des Paßgesetzes verabschiedet hat. Abgesehen vom prinzipiellen Problem geht mir wegen zwei weiterer Dinge die Hutschnur hoch:
Die Koalition verteilt Kreide, und die Presse frißt brav, was sie zu schlucken bekommt. Alle berichten davon, daß zwar nun die Fingerabdrücke auf dem Paß gespeichert werden, diese aber nicht in einer zentralen Datenbank landen; die SPD wird nicht müde, diesen Pyrrhus-Sieg zu feiern. Daß die Bilddaten jedoch nun online und jederzeit abrufbar sind (und zwar schon wegen Kleinigkeiten wie Verkehrsdelikten: Geblitzt worden? Kein Problem, wir finden ihr Bild!), vergißt man dabei zu erwähnen. Dank der Normung für die automatisierte Erkennung ("biometrisches Paßbild") steht hiermit einem automatischen Abgleich nichts mehr im Wege. Es ist wirklich zum Davonlaufen!
Quasi im Handstreich hat man - wenn man schon gerade dabei ist, Sicherheitsgesetze zu verschärfen - auch noch den verschärften "Hacktertool-Paragraphen" durchgewinkt. Augenzeugenberichten auf der Gästetribühne zufolge geschah dies Nachts um 23:15 - es waren wohl gerade noch ca. 30 Abgeordnete anwesend. Ein unglaublich beruhigendes Gefühl, mit welchem Feuereifer unsere Bürgervertreter hier agieren.