TV-Medienecho um Schäuble-Äußerungen

Nicht weiter verwunderlich, daß es Herr Schäuble mit seinen Äußerungen im Spiegel in die Nachrichten geschafft hat - auch wenn der Amoklauf in Amerika und die Wahlen in Frankreich ihm mancherorts Platz Eins streitig machten. Das gestrige Heute-Journal hatte ihn sogar als Interviewpartner. Im Beitrag vor dem Interview kritisierte Burkhard Hirsch Herrn Schäuble, er benutze "den Terrorismus wie einen Universalschlüssel dafür, um unsere Verfassung schrittweise zu verändern und einen Staat herbeizuführen, der auf Knopfdruck von jedem Bürger alles wissen kann - seine Vorlieben, seinen Aufenthaltsort... und letztlich damit auch seine Gedanken". Und: "Wir kommen in einen regelrechten Überwachungsstaat hinein, in dem es keine persönlichen Freiheiten mehr gibt. Und wenn der Staat jeden Bürger behandeln will wie einen Gefährder oder einen möglichen Straftäter, dann sollte die Regierung sich ein anderes Volk suchen.".

Im anschließenden Interview versuchte Schäuble das ganze kleinzureden: "Ich versuche den Menschen nicht dauernd Angst und Besorgnis einzureden. Ich habe schon vor einem Jahr, vor der Fußball-WM zur Gelassenheit geraten - das Menschenmögliche tun wir, 100%ige Sicherheit gibt es nicht.". Irgendwie habe ich da andere Töne in Erinnerung - Bundeswehreinsatz zum Objektschutz, etc.
Auf die Frage hin, ob die vielen Bestrebungen (von den Maut- und Paßdaten bis hin zum Einsatz der Bundeswehr im Innern) nicht das Maß fehlt, antwortete er kopfschüttelnd und lächelnd: "Wollen wir's wieder einmal auf die Realität zurückführen." Anschließend schienen immer andere verantwortlich - entweder wären Dinge gar nicht seine Zuständigkeit, es wäre nun nötig wegen der Föderalismusreform, oder aber es sei schon von der Vorregierung so beschlossen worden. Den Logiksprung vom geänderten Paßgesetz zum Zwang einer zentralen Datenbank erläuterte er jedoch nicht.
Auch die Rückfrage des Moderators, daß ja jeder in Verdacht geraten könnte, ließ Schäuble nicht gelten: Der Moderator sei natürlich niemalsnicht ein terroristischer Gefährder, weshalb er sich keine Sorgen zu machen brauche; und selbst wenn er in Verdacht geraten würde, so würde sich das ja als falsch herausstellen - man würde ihn darüber informieren und anschließend alle Daten löschen.
Natürlich durfte auch das polemische Beispiel mit der LKW-Maut nicht fehlen: "Dann haben alle gesagt: Das kann doch nicht wahr sein - damit der Staat das Geld eintreibt, erhebt er Bilder, aber um einen Mörder zu finden, darf er da nicht 'reinschauen." - was nur deutlich das zeigt, wovor Datenschützer damals gewarnt haben: Sind Informationen einmal erhoben, wecken sie Begehrlichkeiten; der Damm bröckelt: Zuerst nur für die Maut, dann für Schwerstverbrechen, dann allgemein zur Verbrechensaufklärung... die Tendenz ist klar.
Schäubles abschließender Kommentar: Dies sind nötige Einzelaktionen, ein übergeordnetes Paket gibt es nicht.

Kritische, aber etwas weniger scharfe Töne waren in den Tagesthemen von gestern zu hören, wo Schäuble nicht live zu sehen war - dafür kommentierte Joachim Wagner (NDR) die Geschehnisse: Auch wenn der Terrorismus die größte Gefahr des 21. Jahrhunderts sei, so sei dies noch lange kein Grund, die in der Vergangenheit gewachsene und bewährte Sicherheitsarchitektur umzubauen. Mit seinen Aktionen sei Schäuble dabei, die Freiheit zu Tode zu schützen. Erschreckend: Einige der Jura-Studenten der Uni Köln, die zu dem Thema interviewt wurden, fanden Schäubles Vorhaben unter den gegebenen Umständen ("In Anbetracht der hohen Gefahr, die im Moment besteht") akzeptabel. Die Terror-Panik hat offensichtlich recht viele Bürger weichgespült, wie auch die Umfrage des Politbarometers belegt, in der 61% der Befragten die zentrale Speicherung der Paßdaten befürworteten.

Zu später Stunde thematisierte auch der Scheibenwischer das Problem - Riechling in Schäuble-Maske brachte die Sache auf den Punkt:
Wir haben die Terroristen, und wir haben die Werkzeuge gegen den Terror. Bleibt nur die Frage welche Terroristen (er deutet "wir oder sie") gewinnen. Ich bin da vollkommen demokratisch: Wenn schon überwachen - dann jeden.